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Barthold Georg Niebuhr
Ernestine Voß

Eigenhänd. Brief m. U.

Ort: Bonn

Datum: 12.April 1826

Artikelnummer: KKS202400129

Kontext

Brief

Inhalt

Niebuhr zeigt sich bestürzt über den plötzlichen Tod des väterlichen Freundes Johann Heinrich Voß und spricht dessen Witwe sein Beileid aus, bedankt sich für Blumensamen und berichtet von den Leiden seiner eigenen Frau. Grüße an Luise Boie und Mutter.

Maße: Das Blatt misst ca. 21 x 13 cm.

Zustand

Das Schriftbild in dunkelbrauner Tinte hervorragend erhalten und gut lesbar. Das zarte Papier an drei Rändern mit schmalem Wasserzeichen-Ornamentband. Der Bogen dreimal horizontal gefalzt, ganz leicht fingerknittrig und vergilbt, die Ecken etwas knickfaltig, in den Kanten stellenweise leicht bestoßen. Dem Alter entsprechend in sehr gutem Zustand.

Provenienz

Aus dem Berliner Kunsthandel erworben.

Bonn, den 12ten April 1826. Noch immer, ehrwürdige liebe Mutter, kann ich kaum an die Würklichkeit des Schicksals glauben, welches uns getroffen hat. ein Unglück welches mir Wünsche und Freuden versagt oder entreißt glaubt Niemand leichter; aber ein Verlust der einen Theil meines Lebens nimmt, den kann ich mir immer erst nach Langer Zeit als würklich denken, und so ist mir auf juzt noch als ob unser entschlafener Vater uns nicht auf heute entrissen wäre, es sey nicht möglich, daß wir ihn nicht wieder sehen sollten. Der Schlag war für uns um so heftiger je weni- ger ich ihn auch unw. als möglich gedacht hatte, der Brief aus Heidelberg von fremder Hand erweckte nicht einmal eine Ahnung (?) dieser Tod ist für mich das völlige Ende der Jugend; so lange Voß lebte, und so unverwelkt lebte, war ich noch Jüngling neben ihm; außer Ihnen und Ihren Söhnen hat kein mensch so viel verloren, das verloren was ich. Ich danke Gott für diesen lieblichen Tod womit er ihn und Sie gesegnet hat; ein so völlig zu Ende gelebtes Daseyn, wo das Licht plötzlich erlischt weil alles Öl verzehrt ist, ist doch das allergrößte und herrlichste, ein ächtes Zeichen der Herrschaft des Geistes, und der Lohn jener Rüstigkeit der Sache worin kein Anderer es ihm gleichgethan hat. Treuer das große Pfund was er von Gott empfangen, gebraucht hat kein mensch und er hat sein Werk so vollkommen vollendet. Wir danken Gott daß er Ihnen Kraft gegeben hat; er be- wahre sie Ihnen bis die Stunde kommt nach der Sie Sich nun sehnen. Es macht mich glücklich daß wir Sie beyde wiedersehen, und daß das bestimmte Bewußtseyn gegenseitiger Liebe bis an die letzten Augenblicke seines Lebens reicht. Wären Sie zu uns gekommen in diesem Sommer, wir hätten uns um dreyßig Jahre nach Meldorf verso: zurück verjüngt. Auch das ist eine unschätzbare Erinnerung daß ihn dieses Wiedersehen so lieb und daher der Gedanken seiner letzten Stunde war. Er war schon entschlafen als ich, weit entfernt dies zu ahnen, und ungeduldig ihn zu sehen, beschloß noch in diesen Ferien dorthin zu reisen: dieses Verlangen ist als einzige eine Ahn… seines Verlusts ähnliche, sonst baute ich B… auf noch langjährige Freuden in seiner väterlichen Freundschaft. Ich bereitete ihm in der Stille eine ganz geheime – die Zueignung der neuen Ausgabe meiner Geschichte, bey deren Bearbeitung ich stets an ihn dachte, und dessen froh war, was ihm werth seyn würde. Ich muß Ihnen noch mein Stillschweigen entschuldigen, theure Mutter. In den ersten Tagen war ich völlig betäubt: darauf bin ich krank geworden, und noch nur erst genesend. Mein Gretchen wird immer schwächer und kränker; und zu diesem Jammer, wo die beste ärzt- liche Hilfe versagt, und der Trauer über Voßens Tod – zu dem Gefühl des Verwaistseyns in der Welt wie ich es nur bey des Vaters Tode empfunden – kommt der blutende Schmerz über Misso- lunghi – Voß ist glücklich, daß er das nicht erlebte. Wir danken Ihnen zärtlich für die Blumensaamen, sie sind gesäät, und so lange wir und unsere Kinder hier bleiben, soll Sorge getragen werden daß als ein Vermächtnis dieser Zeit das Geschenk derselben erhalten bleibe: es soll dabey Abrahams Brief bewahrt bleiben. Es ist ein milder Regen gefallen als sie eben gesäät waren. die Spargel sind auch so schön gekommen: tausend Dank auch dafür. Lassen Sie mich aber doch erfahren wie viel ich Ihnen dafür schuldig bin. ich kann Luise Boje nicht schreiben: auch dieser kleine Brief fällt mir schwer – ich danke ihr von Herzen, und grüße sie und die liebe Mutter. Meine Frau ist zu matt als daß ich ihr erlauben könnte Ihnen zu schreiben, es würde sie zu sehr bewegen. Sie umarmt Sie und drückt Sie an ihr Herz mit stillen Thränen. Gebe uns Gott so weit Genesung daß wir Sie sehen, und mit Ihnen nach Ihrem und unserem Herzen Voßens Andenken feyern können. Gott segne Sie: behalten Sie uns lieb. Ihr treuer Niebuhr.

Barthold Georg Niebuhr (geboren 1776 in Kopenhagen, gestorben 1831 in Bonn) war ein deutscher Althistoriker und Philologe. Der sprachbegabte Niebuhr studierte an der Universität Kiel, brach das Studium ab und arbeitete zunächst im dänischen Staatsdienst. 1806 ging er nach Berlin, wo er bis 1810 im preußischen Staatsdienst arbeitete, ab 1810 gab er Geschichtsvorlesungen an der neu gegründeteten Universität Berlin. Von 1816 bis 1823 fungierte er als preußischer Gesandter beim Heiligen Stuhl. Im Jahr 1825 wurde er als Professor an die 1818 gegründete Universität Bonn berufen. Seit 1809 war er korrespondierendes Mitglied der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften, 1822 wurde er in die American Academy of Art and Sciences gewählt, 1827 folgte die Ehrenmitgliedschaft an der Russischen Akademie der Wissenschaften St. Petersburg.

Ernestine Voß (geboren 1756 in Meldorf als Marie Christine Ernestine Boie, gestorben 1834 in Heidelberg) war eine deutsche Schriftstellerin und die Ehefrau von Johann Heinrich Voß. Sie war zudem eine herausragende Gärtnerin und Kommunikatorin. Sie vermittelte immer wieder zwischen Bekannten und dem als aufbrausend beschriebenen Ehemann. Freundschaftliche Beziehungen bestanden u.a. zu Charlotte von Schiller und Johann Wolfgang von Goethe.

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